Ochstales

Neues vom Roten Ochsen

Guter Wein muss mehr kosten!

15.07.2019

Randersacker. Hundertmal vorbeigefahren, vorbeigestanden, hier nimmt man gern den Stau bei Würzburg. Inbegriff des Frankenweins im Römerschoppenglas, das mit dem grünen geriffelten Fuß. Ich fand ihn immer wie mit dem Hammer gekeltert, grob, keine Ursache hier einzukehren. Ein letzter Besuch weiter östlich in Iphofen ist viele Jahre her. Jetzt sind wir mit jungen Winzern verabredet, die Weinbau anders betreiben wollen. Ethos, der Name ist Programm. Ein gutes Dutzend, drei von ihnen besuchen wir diesmal. Schlechtes Timing: Hitzerekord.  Andererseits gut für die Nachdenklichkeit. Leicht stöhnend von der schweißtreibenden Anfahrt (selbstgewählt keine Klimaanlage im Auto) parkiere ich mittags das Auto in der schattigen Garage vom Weingut Schenk in Randersacker. Heiß hier mittags um elf. Wir werden uns noch umschauen. Erst einmal Aufschub, Thomas Schenk ist noch unterwegs und wir spazieren auf die schattige Terrasse vom Weinhaus zum Spielberg mit pittoreskem Blick. Gestandene Frankenkost auf der Karte, Bratwürscht, angemachtes Rindfleisch, bestimmt ein touristischer Platz, doch echt herzlich und gar nicht aufgemaschelt. Und da steht er vor mir, der grünfüßige Römer – ich bekomme ein 0,1 Weinchen, auch wenn es nicht auf der Karte steht. Ganz verzichten will ich mittags doch nicht, mein nicht weingeneigter Begleiter preist aber auch das naturtrübe Radler der Mönchshof Brauerei. Eine Stunde später in der Steillage des Marsberg Riesling. Die Sonne knallt auf die Reben, ihre Füße haben sie tief im Boden, aus meinen scheinen kleine Rauchwolken aufzusteigen. Mehr als fünf Meter aufwärts steigen wir zum Glück nicht, Reben in die Drähte einfädeln ohne sie zu brechen finde ich gar nicht einfach…  Die Abstände zwischen den Rebzeilen sind vielfältig bewachsen – davon erfahren wir gleich mehr, weil die Begrünung zur Bodenpflege und Rebenernährung ein Hauptmerkmal der Weinbergarbeit von Thomas Schenk und Gleichgesinnten ist. Wer macht das alles? Den Winzern fehlen Hände ebenso wie den Landwirten, Maschinen können hier wenig ausrichten. Randersacker hat das Glück umtriebiger Bürger, Schüler helfen mit und Rentner und Hausfrauen gehen statt zum Wellness in die Weinberge zu Thomas Schenk – nicht nur seines gewinnenden Lächelns wegen: „Man muss seine Leute schon pflegen.“ Oben auf dem Krönlein wächst die rote Domina in Gesellschaft eines Monitoringprojektes vom LBV – der Wiedehopf soll hier wieder gesehen worden sein. Wäre kein Wunder, der Blick zum Kiliansberg hinüber zeigt, wie sich der Mensch hier in der Nutzung mäßigt. Steinriegel (das sind die aufgehäuften Steine, die beim Bearbeiten aus dem Boden geholt wurden) durften als Lebensraum bleiben. Es summt zwitschert duftet blüht, wir lassen uns wilde Kirschen in den Mund fliegen, dabei sind wir nicht in abgelegenen Gefilden, sondern 600 Meter Luftlinie von der Uni Würzburg. Es ist erstaunlich, was alles geht. Als sie vor Jahren den Stickstoffdünger aufgaben, war Thomas Schenk auf harte Einschnitte gefasst, In den Rebzeilen hängen kleine Medaillons, die Pheromone ausdünsten und damit den schädlichen Traubenwickler aus dem Konzept bringen – was alles geht.

Zwei Stunden später beim Schulmeister. Das ist ein idyllischer jedoch respektgebietender kleiner Weinberg über Sommerhausen. Sehr steil, ich überlege, ob ich freiwillig von den Füßen auf den Po gehe. Wir sind in einer der besten Lagen für restsüßen Riesling – das werden wir heute noch erleben. Wir sind mit Andreas Wenninger unterwegs, das ist einer der beiden Juniors auf dem Felshof in Sommerhausen. Da haben wir uns auch einquartiert, echt herzlich wie aus dem romantischen Lesebuch. Jetzt haben wir erst einmal eine Begrünungs-Exkursion gewonnen, das ist sein Thema. „Wir arbeiten mit der Natur und geben ihr so viele Möglichkeiten sich zu entfalten, wie es nur möglich ist. Das ist unser Bodenmanagement.“ Es sieht sehr schön aus. Vielgestaltig blühende Wiesen zwischen den Reihen des Sauvignon Blanc. Mit dem Konkurrenzdruck der Blühpflanzen  wird gleichzeitig der Ertrag gezähmt. Die Reben auf der nächsten Fläche sind erst drei Jahre alt und brauchen noch mehr Zuwendung aus dem Boden, hier ist nur jede zweite Gasse begrünt. Spannender noch, was unterirdisch geschieht: Die Begrünungspflanzen wurzeln in unterschiedlichen Tiefen und leisten gemeinsam einen wichtigen Beitrag zur Bodenverbesserung. Vorgewende sind die meist traurigen monogrünen Streifen am Rande von Kulturflächen, hier hat sich dagegen eine üppige Gesellschaft entwickelt. Wir sind wohlgemerkt nicht im Bio-Weinbau. Ganz bewusst nein! dazu: „Bio allein macht es nicht besser.“ Die Ethos-Winzer versuchen, sich nicht in Kategorien zu begeben. Sie sagen: Was dem Boden gut tut, dem Land und den Leuten, das wollen sie mit feinerem Strich schreiben. Chemische Unkrautvernichtungsmittel werden nicht eingesetzt, Pflanzenschutz dagegen mit Nachhaltigkeit: „Wenn ich nur zweimal in den Weinberg zum Spritzen gehe, halte ich das für besser als viermal mit biologischen Mitteln.“ Jeder Weinberg, der Dienst getan hat, geht vor der Neubepflanzung erst einmal für ein Jahr an die Natur zurück – fast ein Hektar liegt vor unseren Augen brach und wird erst ab dem nächsten Jahr ganz langsam wieder in die Bewirtschaftung eingebracht. Artenvielfalt hat sich schon eingestellt. Die Mariendisteln beim kapitalen Steinriegel werden von Faltern umschwärmt, an der Königskerze wurden die Raupen vom Schwalbenschwanz gesehen. Die Winzer haben eine Bank hingestellt und Schatten zur Kontemplation gepflanzt: So muss Landschaft aussehen. Andreas Wenninger ist glasklar: „Das tun wir für alle, die Öffentlichkeit muss uns dafür bezahlen.“ Di Preisvorstellungen sind nicht abwegig. Der große Wein „Schulmeister Riesling“ von der kleinen Supersteillage kostet gerade mal 9 Euro 90. 12 Euro der sensationelle Sauvignon Blanc, mit dem wir den Abend verbringen werden.

Nach unserem Herzen. Am Tisch im Hof finden sich unter endlich gnädigeren Abendtemperaturen gemischte Neugierige. Gar keine Connaisseurs, es wurde nicht Wein gesprochen, sondern mit Freude getrunken – drei fröhliche  Kranführer von der Mosel waren auch dabei. An großen Weinen verkosteten wir Silvaner vom Alten Berg, Stachelberg Riesling, Schulmeister Riesling, von den Lagenweinen Sauvignon Blanc, Sommerhäuser Scheurebe und  Riesling von den Ortsweinen. Was wir gesehen haben, haben wir auch geschmeckt. Fürs nächste Mal wünschen wir uns nur, dass in dem großen Herzen noch Platz für ein Stück Brot wäre  – weil wir lieber hier oben beim Trinken geblieben sind, als hinunter nach Sommerhausen zum Essen zu fahren. So sprechen wir halt Wenninger Senior nach – des bissla, was wir essen, können wir auch trinken. Und das war ein Genuss. 

Eine halbe Stunde nach Margetshöchheim, lokalgesprochen: „Maroggo“. Szenenwechsel. Das kleine Weingut mit traditioneller Heckenwirtschaft ist so pittoresk, wie sich der Weinwanderer das vorstellt. Die Winzerin ist jung und attraktiv und frisch-fränkisch und selbstbewusst (wir werden sie in ihrer Scheurebe wiederentdecken). Sie war bis Neuseeland unterwegs, bevor sie wieder heimkehrte, und zwar gerne, an den Main. Das macht Spaß bei den Ethos-Winzern: Alle sind anders. Die Landschaft hier auch, kleinteiliger noch als zuvor. Vom Erlabrunner Siebener Tisch aus kann man das gut überblicken über den Main und bis hinüber zum Würzburger Stein, wie sich Wald, Wein und Obst mischen. Aus der Nähe biegen sich die Bäume gerade unter prächtigen Kirschen, die niemand erntet. Streuobstwiesen so weit das Auge reicht, zumeist herrenlos, es gibt keine Hände für die Früchte. Die Scheurings sind zu dritt mit 11 Hektar. Das reizt die Tage bis zum Anschlag aus. Wir schauen uns auch die Kompost-Area an, das ist nicht übertrieben – denn auf großer Fläche wird hier der eigene Biodünger zubereitet, der das Bodenmanagement übernimmt. Nach der Weinlese sperren sie dann „die Hecke“ auf, die verspricht, dass man hier die Ellbogen auf den Tisch stützen darf bei Leberwurst und Knäudele – wir planen dann mal im Oktober wiederzukommen oder als Alternativprogramm nach dem Aschermittwoch… Jetzt fahren wir erst einmal sehr gut gelaunt zurück und ich will kein bisschen mehr über Hitze und anderes Wetter jammern, seit ich erlebt habe, wie die Leute hier ihren Boden oft zu Fuß und in Handarbeit pflegen, daheim habe noch Samen in den Socken von den blühenden Steillagen – die Botschaft ist angekommen. Diesen Bericht widme ich allen, die eine Flasche Weine für 2,99 beim Discounter für eine gute Sache halten. 

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